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BVOU und DGOU: Strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt

Herzogenaurauch/Ostfildern – Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) legt nach § 91 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Richtlinien geeignete chronische Krankheiten fest, für die strukturierte Behandlungsprogramme entwickelt werden sollen. 2002 wurden diese erstmals gemäß § 137f Abs. 2 SGB V für Diabetes Typ 1 und 2, Brustkrebs, koronare Herzkrankheit (KHK) und chronische obstruktive Atemwegserkrankungen erstellt. 2005 wurde die chronische Herzinsuffizienz als weitere geeignete Erkrankung identifiziert und modular in das DMP KHK integriert.

Am 20. Februar 2014 beschloss der G-BA in seiner Sitzung eine Bekanntmachung zur Beratung der Festlegung weiterer geeigneter chronischer Krankheiten für strukturierte Behandlungsprogramme gemäß § 137f Abs. 1 SGB V.

Chronik des DMP Chronischer Rückenschmerz

Fristgerecht am 2. Mai 2014 hatten der BVOU, die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC), die DGOU, die Sektion Schmerz der DGOU – die Interdisziplinäre Gesellschaft für orthopädisch/ unfallchirurgische und allgemeine Schmerztherapie (IGOST), die Sektion Wirbelsäule der DGOU, die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft (DWG) unter Federführung der DGOOC einen Antrag „Notwendigkeit zur Einrichtung eines Disease Management Programms (DMP) Chronischer Kreuzschmerz“ eingereicht. Der G-BA fasste daraufhin am 21. August 2014 den Beschluss zur Beauftragung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu „Leitlinienrecherchen zu den Diagnosen chronische Herzinsuffizienz, rheumatoide Arthritis, Osteoporose und chronischer Rückenschmerz“.

Die Fertigstellung der Endberichte sollte zum 31. März 2016 erfolgen. Das IQWiG veröffentlichte am 21. Juli 2015 einen Vorbericht der Bewertung der systematischen Leitlinienrecherche und -bewertung sowie eine Extraktion relevanter Empfehlungen für ein DMP Chronischer Rückenschmerz. Anfang 2016 oblag es dann dem G-BA, die entsprechende Verordnung dazu auszuarbeiten. Es galt nun, den medizinischen Stand des Wissens zum Thema „Chronischer Rückenschmerz“, wie er sich vor allem in der Nationalen Versorgungsleitlinie Chronischer Kreuzschmerz wiederfindet, in die engen gesetzlichen Vorgaben eines DMP, wie sie in § 137 SGB V niedergeschrieben sind, einzupassen.

Diese machen es beispielsweise unmöglich, dass ein umfassendes interdisziplinäres Assessment, wie es die Nationale Versorgungsleitlinie zur Prävention der Chronifizierung fordert, im Rahmen eines DMP finanziert wird. An dieser Stelle trifft der Wunsch nach einer besseren Versorgung auf die harte Realität des Kassenarztwesens. Trotzdem wäre es fatal, die Chancen, die ein DMP bietet, nicht zu nutzen. Es wird klar, warum es einer Fachgesellschaft und eines Berufsverbandes bedarf, um so ein Projekt umzusetzen, besteht doch der Arbeitsschwerpunkt eines Berufsverbandes genau darin, den Ärzten in Krankenhaus und Praxis optimales Arbeiten zu ermöglichen und zwar sowohl in medizinischer als auch in finanzieller Hinsicht. Beim DMP Chronischer Rückenschmerz erfolgte eine solche Kooperation, in dem sich eine Expertengruppe von DGOU und BVOU, bestehend aus Prof. Dr. Bernd Kladny, Prof. Dr. Marcus Schiltenwolf und Dr. Burkhard Lembeck zusammenfand, um schon vor Beginn der Gremienarbeit im G-BA einen konkreten Verordnungstext zum DMP Rücken zu entwerfen.

Ein Austausch mit den Experten der KBV, der Hausärzteschaft und anderen KVen bereits im Vorfeld erwies sich dabei als hilfreich. Mit ihrer Erfahrung bei Etablierung und Umsetzung von DMP waren wir in der Lage, potenzielle Fallstricke und Konfliktfelder beim DMP Rückenschmerz zu identifizieren. Es war schnell klar, dass es hier um die Einschreibekriterien, die Rolle des koordinierenden Arztes und die Schulungsprogramme gehen würde. Dieses Wissen und unsere Zielvorstellungen mündeten dann in eine vollständig ausgearbeitete Version eines DMP Rückenschmerz, die zu Beginn der Gremienarbeit im G-BA die Basisversion lieferte.

Krankenkassen waren ablehnend

Eine besondere Problematik des DMP Rückenschmerz: Von Krankenkassenseite her wurde keine Existenzberechtigungzugesprochen. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft äußerte initial starke Bedenken, ob ein solches DMP Sinn machen würde. Weiterhin waren die Vorstellungen von hausärztlichen und Patientenvertretern mit unseren Ausarbeitungen nicht immer deckungsgleich. Dementsprechend war es ein extrem mühsamer, langwieriger und zum Teil frustrierender Arbeitsprozess, der sich über viele Sitzungen im Bereich der Arbeitsausschüsse hinzog. Erschwerend kam hinzu, dass es im Bereich der Krankenkassen ganz offensichtlich eine uneinheitliche Sichtweise gab, sodass man sich beim kleinsten gemeinsamen Nenner, dann oft auf ein „Nein“ einigte. In der Nachbetrachtung muss als stärkster Trumpf unseres Teams gelten, dass wir uns im Vornherein darauf geeinigt hatten, welche Verbesserungen für die Versorgung unserer Rückenschmerzpatienten im Rahmen eines DMP möglich sind – kein Wolkenkuckucksheim, keine Lobbyistenforderung, sondern auf ein konkretes Versorgungsziel. Dafür konnten wir viele Beteiligte gewinnen, allein die Krankenkassen lieben bei ihrer ablehnenden Haltung, insbesondere beim Thema Schulungen. Auch in ihrem letzten Entwurf zur Verordnung lehnten sie Gruppenschulungen, ein wichtiges Element aller bisherigen DMP, rundweg ab. Bis zum Schluss verblieben somit auf der Ausschussebene, insbesondere zwischen den ärztlichen Vertretern und der Krankenkassenseite jede Menge dissente Punkte. Über solche Kontroversen entscheidet dann das Plenum des G-BA, als höchste Instanz, unter Beteiligung der Unparteiischen (Vorsitzender Prof. Dr. Josef Hecken). Bevor es dazu kommt, schlägt nun wieder die Stunde der Fachgesellschaften, denen vorher die Gelegenheit der Stellungnahme zu den dissenten Entwürfen gegeben wird, und zwar sowohl schriftlich als auch mündlich. Aufgefordert werden hierbei alle möglichen wissenschaftlichen Gesellschaften bis hin zum Verband der Heilbäderbetriebe. Selbstverständlich haben alle relevanten Gesellschaften in O und U ihr Votum abgeben. Darüber hinaus fielen aber auch die Stellungnahmen der Allgemeinmediziner und der Schmerztherapeuten sehr überzeugend aus.

Vor dem Untersuchungsausschuss

Eine nicht zu unterschätzende Wirkung haben nach wie vor die mündlichen Stellungnahmen der Fachgesellschaften vor dem Unterausschuss. Auch hier zeigte O und U große Präsenz, was sicherlich dazu beigetragen haben dürfte, die Unparteiischen ganz überwiegend auf unsere Positionen herüberzuziehen. Am 18. April 2019 kam es dann endlich zur entscheidenden Sitzung des Plenums im G-BA, in dem der Beschlussentwurf und die tragenden Gründe zum DMP Chronischer Rückenschmerz verabschiedet wurden. Im Wesentlichen entspricht der vorliegende Entwurf unseren Vorstellungen, wie wir sie bereits vor vier Jahren entwickelt hatten.

Punkten nur im Schulterschluss

Ob im Fußball oder in der Berufspolitik – die Mannschaftsleistung entscheidet! In einer Mannschaft hat jeder seine Auf Aufgabe und es hängt entscheidend davon ab, ob er sie im Sinne des Teams wahrnimmt.

Ein Stürmer, der nicht verteidigt, ein Abwehrspieler, der nicht mit nach vorn geht, Viererkette, Fünferkette, im modernen Fußball geht es ohne gute taktische Abstimmung nicht. In der Berufspolitik ist es genau so: In den Fachgesellschaften ist brillantes medizinisches Wissen vorhanden – ohne Umsetzung in die Versorgung wird es aber weder Patienten noch Ärzten nutzen. In den Berufsverbänden finden sich genug Experten zum Thema Kassenarztwesen, Bedarfsplanung, Notfalldienste und Gebührenordnungen – aber ohne das Wissen um Leitlinien, ohne Vorstellung von guter Patientenversorgung als oberstes Ziel wird ein Berufsverband keine guten Rahmenbedingungen für die Ärzte in Klinik und Praxis erreichen können. Nur die beste medizinische Versorgung wird auf Dauer auch zum besten Honorar führen! Dafür bedarf es einer feinen Abstimmung von wissenschaftlicher Gesellschaft und Berufsverband. Die Aktivitäten bei Weiterbildung, Forschungsvorhaben, Honorarpolitik, neuen Versorgungsformen gehören engstens abgestimmt. Die Arbeit muss auf viele Schultern verteilt, die Beteiligten aber untereinander informiert und koordiniert werden – dann werden wir auch in Zukunft in O und U das Beste für unser Fach, für unsere Patienten und für uns Ärzte erreichen.

Dr. Burkhard Lembeck
Ostfildern
Landesvorsitzender
BVOU Württemberg

Prof. Dr. Bernd Kladny
Herzogenaurauch
Generalsekretär DGOU
und DGOOC

Erschienen in der OUMN 4/19